FN Artikel vom 6. Januar 2025,
Die Klauenkrankheit Moderhinke befällt viele Schafe in der Schweiz. Schafhirt Stephan Buchs erklärte uns, wie der Kanton auf diese Krankheit testet und was danach mit den Tieren passiert.
Stephan Buchs hat das Schaf fest im Griff. Eine Hand um den Hals, die andere an den Hinterbeinen. Buchs geht in die Knie, nimmt Schwung, hebt das Schaf hoch und setzt es auf den dicken Traktorreifen. Das Schaf strampelt wild herum, doch Buchs hält dagegen. Beide Arme sind nun um dessen Hals geschlungen. Das Tier beruhigt sich. Ein sitzendes Schaf – kein alltäglicher Anblick. Die angehende Tierärztin Lorine Droux ist schon in Position. Es ist nicht ihr erstes Rodeo. Sie greift nach dem Fuss des Schafs und spreizt mit Daumen und Zeigefinger dessen Klauen. Dann nimmt sie das Wattestäbchen und bewegt es mehrfach dazwischen. Sie reibt gründlich von innen nach aussen, um wirklich eine gute Probe zu bekommen. Sie nimmt das andere Bein. Das Schaf versucht, es zu sich zu ziehen. Droux greift fester zu und wiederholt die ganze Aktion. Nachdem sie alle Klauen erfasst hat, legt sie das Wattestäbchen in einen Behälter. Während sie sich auf das nächste Schaf vorbereitet und ein frisches Wattestäbchen hervorholt, lässt Buchs das Schaf wieder gehen und greift nach dem nächsten: «Komm, Rosalie, Du bist dran.»
Verschiedene Rassen
Buchs Herde besteht aus sieben verschiedenen Schafrassen: Tiroler Schafe, Walliser Landschafe, Engadinerschafe, Texelschafe, Saaser Mutte und viele mehr. Die beiden Böcke – Obelix und Franz – hält er getrennt von den anderen und hat sie fest angebunden. «Sie können bis zu 100 Kilogramm wiegen», sagt Buchs. Die beiden Herdenschutzhunde liegen daneben im Stroh und ruhen sich von ihrer Arbeit im Sommer aus, während die beiden Böcke die Rangordnung unter sich ausmachen wollen. Buchs hält seit 2008 Schafe. Angefangen hat alles damit, dass er ein Schaf geschenkt bekommen hat. «Dann wurden es immer mehr», sagt er lachend.
Buchs hat seine Schafe im Winter im teilweise Stall in Jaun. «Die Schafe sind zwar am liebsten draussen, aber nicht bei zu viel Schnee», sagt er.
«Das geht schnell»
Die Krankheit Moderhinke ist bei den Schafhaltern jedes Jahr ein Thema. Das ist eine Klauenkrankheit, die in der Schweiz in jeder vierten Herde vorkommt. «Es kann sein, dass sie den ganzen Winter nichts haben und sich dann im Sommer auf der Alp anstecken, weil sie mit anderen Schafen zusammen sind. Das geht sehr schnell», sagt Buchs. Auch er hatte schon Fälle von Moderhinke in seiner Herde. «Die Tiere frassen wenig, wurden mager, und hatten Probleme beim Laufen. Wenn es ganz schlimm ist, dann lahmen sie. Das ist nicht schön», sagt er. Es sei sehr schmerzhaft für die Tiere.
Zur Vorbeugung macht er deshalb zweimal im Jahr ein Klauenbad für seine Schafe. «Das ist kein Muss. Aber ich mache das vor allem, weil im Sommer meine Schafe mit anderen zusammen auf der Alp sind.» Er geht hinaus und zeigt, wie das funktioniert. Es ist ein Standbad, in das die Schafe eins hinter dem anderen gehen und etwa zehn Minuten bleiben. Die ganze Klaue muss unter Wasser sein. Dann lässt er die Schafe eine Stunde lang draussen auf dem Betonboden stehen. So kann das Desinfektionsmittel gut einwirken und die Klauen trocknen. Das sei wichtig, betont Buchs.
Jedes vierte Tier ist betroffen
Moderhinke ist eine ansteckende Klauenkrankheit der Schafe. Sie ist für die Tiere sehr schmerzhaft und führt dazu, dass sie lahmen und auf den Vorderknien grasen, um die entzündeten Klauen zu entlasten. Die Krankheit wird durch ein Bakterium übertragen. «Gemäss Schätzungen leiden in der Schweiz in jeder vierten Schafhaltung Tiere an typischen Krankheitsanzeichen der Moderhinke», schreibt der Kanton auf seiner Webseite. Die Krankheit ist heilbar. Der Prozess ist jedoch langwierig und aufwendig. Moderhinke kann für die Betriebe zu wirtschaftlichen Verlusten führen.
Um die Krankheit auszurotten, hat der Bund dieses Jahr ein nationales Bekämpfungsprogramm gestartet. Während fünf Jahren werden jährlich zwischen Anfang Oktober und Ende März alle Schafbestände auf Moderhinke untersucht. Ziel ist, dass die Tierkrankheit nach fünf Jahren in weniger als einem Prozent aller Schafbestände auftritt. Für die Durchführung der Kontrollen sind die Kantone zuständig.
Wird bei einer Kontrolle in einer Herde ein positiver Fall festgestellt, wird die gesamte Herde saniert, das heisst, die Krankheit muss behandelt werden. Während dieser Zeit dürfen die Tiere nicht bewegt werden, mit Ausnahme der direkten Abgabe zur Schlachtung. Sie stehen unter einer sogenannten Sperre 1. Grades – der Betrieb ist blockiert. Ausserdem müssen die Schafhalter mehrmals in der Woche (idealerweise sechs- bis achtmal) Klauenbäder durchführen und bei allen Tieren die Klauen kontrollieren und schneiden. Nur in schweren Fällen werden die Tiere medikamentös behandelt. Nach der Sanierung wird die Herde erneut getestet – spätestens drei Wochen nach dem positiven Ergebnis. Bei negativem Befund wird die Sperre aufgehoben. Danach ist es wichtig, die Klauen regelmässig zu schneiden und Klauenbäder durchzuführen. Negative Betriebe müssen die Tiere vor einer Reinfektion schützen. Bleibt das Ergebnis positiv, muss das gesamte Verfahren wiederholt werden, bis ein negatives Ergebnis vorliegt.
30 Tiere kontrollieren
An diesem Samstag hat sich Buchs mit der angehenden Tierärztin Lorine Droux für die kantonale Moderhinke-Kontrolle verabredet. Denn seit diesem Jahr hat der Bund ein nationales Bekämpfungsprogramm lanciert, mit dem Ziel, die Krankheit in fünf Jahren quasi auszurotten. Die Kantone sind für die Ausführung verantwortlich. Droux deckt einen Teil des Greyerzbezirks ab und muss bis März insgesamt 70 Schafbetriebe auf Moderhinke testen. Pro Betrieb werden maximal 30 Schafe untersucht.
Von der Mitte nach aussen
Droux ist da, holt ihr Material und macht sich an die Arbeit. Alles ist Routine. Unter den 30 zu testenden Schafen sind vor allem solche, bei denen der Verdacht besteht, dass sie die Krankheit haben, und solche, die kürzlich neu zur Herde gestossen sind. Nacheinander nimmt Buchs die Schafe und bringt sie in Position, damit Droux sie untersuchen kann. Bei den Lämmern hat es Buchs leichter, er hebt sie hoch wie ein Kleinkind. Bei den grösseren Schafen muss Buchs die Ärmel richtig hochkrempeln. «Es geht je länger, je besser», sagt er keuchend und schmunzelnd.
Droux erklärt das Testverfahren: «Wir testen von der Mitte der Klaue aus, weil es dort anfängt. Das tut den Tieren allerdings nicht weh», sagt sie, während sie mit dem Wattestäbchen Proben entnimmt. Die ersten Stadien der Krankheit verlaufen symptomlos. «Man sieht eigentlich nichts.» Später können Rötungen durch Entzündungen und Schäden an den Klauen auftreten. «Es hat dann auch einen fauligen Geruch.» Das bestätigt auch Buchs: «Es riecht gar nicht gut.»
Die Böcke zuletzt
28 sind gemacht. Es fehlen nur noch Obelix und Franz. Die beiden Böcke werden von Droux stehend kontrolliert. Buchs geht hin und packt Obelix so, dass er sich nicht losreissen kann. Droux kommt und hält sein Bein fest. Das lässt sich Obelix nicht gefallen. Mit aller Kraft versucht er, sich aus Droux' Griff zu befreien. Er versucht sich durch Treten mit dem Fuss loszureissen, aber Droux lässt nicht locker. Nach ein paar Sekunden beruhigt er sich und die angehende Tierärztin kann endlich mit ihrer Arbeit beginnen. Die beiden Böcke waren am schwierigsten zu behandeln. Aber jetzt sind alle dreissig durch.
Pro Behälter kommen zehn Wattestäbchen rein. Diese werden anschliessend im Labor getestet, und einige Wochen später hat Buchs das Resultat.
Gut reinigen
Für Droux heisst es, ab zum nächsten Betrieb in Jaun. Davor reinigt sie jedoch noch gründlich ihre Stiefel. «Falls es hier nun positive Fälle gibt, würde ich die Bakterien in den nächsten Stall bringen und dort die Tiere anstecken», erklärt sie. Denn das Moderhinke-Bakterium kann ziemlich lange überleben. Im Boden kann es sogar bis zu einem Monat überleben. Deshalb sei es wichtig, nach der Sanierung auch die Ställe zu reinigen.
Positive Fälle
Einige Wochen später hat Buchs das Ergebnis erhalten. Es ist positiv ausgefallen. Für die Schafe von Buchs bedeutet das nun regelmässige Klauenbäder. «Zuerst haben wir ihnen die Klauen sauber geschnitten, jetzt gibt es zweimal pro Woche ein Klauenbad», sagt Buchs. Auch der Stall wird nun noch häufiger geputzt. Den Auslauf für seine Schafe hat er um die Hälfte verkleinert, doch sonst ändert sich für die Tiere im täglichen Ablauf nicht viel. Die Krankheit sei bei seinen Schafen noch im Anfangsstadium. «Sie sind nicht schwer betroffen. Keines lahmt oder hinkt», sagt er. Anfang Februar wird erneut getestet. Dann hofft Buchs, dass die Behandlung angeschlagen hat und seine Schafe negativ sind.
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