Plagerschflueh

Heute habe ich spontan entschlossen, mal ein Ort zu besuchen wo ich noch nie war. Dies ist auf dem weitläufigen Jauner Gemeindeboden eigentlich nicht schwierig. Die 'Plagerschflueh' liegt aber an der Passstrasse, einer der drei Zufahrten ins Jauntal. Da seit 1993 ein Tunnel  durch die Felsnase führt, ist der Strassenabschnitt zwar  gesperrt, aber zu Fuss immer noch begehbar. Da ich immer wieder gehört habe, dass die Jaunpassstrasse vor deren Ausbau sehr gefährlich war, wollte ich mal wissen, wie gefährlich nun gefährlich ist. Also will ich mir die ehemalige Umfahrung selber ansehen.

Vom Simmental herkommend bietet sich auf der Berner Passeite bei klarem Wetter ein herrliches Panorama. Nicht minder sieht es auf der Westseite aus, vor dem Tunnel öffnet sich der Blick auf die Gastlosen und ins beschauliche Abländschen. Nach dem Tunnel zeigt sich ein ganz anderes Bild, da tauchen nämlich nach dem dunklen Felsenloch die nördlichen Jauner Berge auf. Nach meinem Orientierungssinn müsste aber "neben" dem Tunnel beides zu sehen sein, also parkiere ich am höheren Tunnelende wo noch die Sonne scheint. Hier führt die alte Strasse am Berghang an das andere Tunnelende. Sogar Schneepfähle sind aufgestellt, damit die Verkehrsführung bei einem Unfall im Tunnel sichergestellt ist. Dass ich nicht der einzige Besuch in diesem Winter bin, zeigen viele Schuhabdrücke im Schnee und gerade neben der Barierre ein Papiertaschentuch mit verdächtigem Fleck. Aber ich bin ja wegen anderen Aussichten da. Die Strasse ist so breit, oder eben eng, wie sie auch auf der Bernerseite ist und sogar eine betonierte Mauer gibt es. Auf den ersten Blick ist die Strasse also alles andere als gefährlich. Der Ausblick gefällt mir sogar sehr gut, da hier das ganze östliche Jauntal zu sehen ist.



Auf dem Rückweg klettere ich auf die niedrige Mauer auf der Talseite, durch deren Bogen hindurch ich zuvor ein Foto Richtung Jaun geschossen habe. Mir gegenüber die Stirnseite der Gastlosen und unter mir der rauschende Jaunbach, der vor langem diese Talenge geschaffen haben muss. Ein paar Schritte weiter steige ich  schleunigst hinunter und stehe wieder hinter der Mauer auf der Strasse. Die Felswand stürzt hier geradewegs 200 Meter in die Tiefe zum Bach. Das ist also die "Plagerschflueh", wer hier nicht von der Mauer zurückgehalten wird, für den wird es tatsächlich gefährlich.

Wieder zu Hause wollte ich mehr über die Felswand wissen. Das Jauner Wörterbuch meint, der Name komme von "plagen". Google weiss von einem Buch aus dem Jahr 1952 das von den roten Gesteinsschichten der Plaggerschflueh berichtet, aber nur die Kapitel und keinen Inhalt auflistet. Auf einer anderen Seite finde ich den Verweis auf einen Infanteriebunker Plagersfluh. Mein Göttergatte weiss, dass die Strasse hier für den Kriegsfalls mit Munition geladen war. Das Geländer unterhalb der Strasse führe zur entsprechenden Stelle. Noch früher hätten die Leute hier rote Gesteinsplatten geholt. Der Name "Plagerschflueh" könnte also auch von den Plagi, wie Platten zu Jaundeutsch genannt werden, stammen.

Sicher ist, mein heutiger Panoramablick ist steinalt und der Jaunbach dagegen noch jung und sehr hartnäckig.


Kommentare: 2 (Diskussion geschlossen)
  • #1

    Leo Buchs (Freitag, 11 Dezember 2015 19:28)

    Dein Blog-Beitrag zur Plagerschflue (warum ein "h" am Schluss? Das macht keinen Sinn!) ist sehr aufschlussreich. Zu Deinen Überlegungen betr. Herkunft dieser Bezeichnung: Ich bin fest davon überzeugt, dass der Name wirklich vom Wort "plaage" kommt. Ich stütze mich da auf Angaben von Athanas Thürler,Karl Stucki und alten Jaunern. Beim seinerzeitigen Bau der Passstrasse (= Brùchstraas; die Bezeichnung fehlt im Wsörterbuch, da der Brùch nicht auf Jauner Boden liegt) war dieser Teil ein fast unüberwindbares Hindernis. Das in den Felsen (also Plagerschflue) gehauene Strassenstück war nur möglich, weil der ganze Abschnitt als militärische Festung gebaut wurde. Diese befindet sich direkt unterhalb der Strasse. Füher konnte man (natürlich unerlaubter Weise) in diese Festung hinuntersteigen, was ich seinerzeit bei sonntäglichen Bubenausflug auch gemacht habe. Der Bau des Plagerschflue-Strassenabschnitts war auch für die Genie-Truppen des Militärs während des 2 Weltkrieges eine echte Plage.
    Liebe Grüsse
    Leo

  • #2

    Marlies (Sonntag, 13 Dezember 2015 17:38)

    Vielen Dank für die zusätzlichen Infos, Leo. Das H der Plagerschflue habe ich gedankenlos aus dem Hochdeutsch übernommen, pardon. Die Plagerschflue muss offensichtlich schon für den Jaunbach eine Plage gewesen sein, der Name passt also sehr gut. Über den Bau der Passstrasse gäbe es wahrscheinlich noch viel zu berichten...
    Liebe Grüsse aus dem Westen!

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